Der vor 125 Jahren in Wiefelstede geborene Rudolf Bultmann war einer der wenigen Selbstdenker der evangelischen Theologie im 20. Jahrhundert. Er verstand es, historische Rekonstruktion und gegenwartsbezogene Interpretation des Neuen Testaments virtuos miteinander zu verbinden. Selbst ein Meister der historischen Kritik, suchte er die Krise des Historismus mit dem hermeneutischen Konzept der existentialen Interpretation zu überwinden.
Von weit reichender Wirkung für Theologie und Kirche wurde die von Bultmann aufgestellte Forderung nach der Entmythologisierung des Neuen Testaments. Die mythischen Redeweisen der neutestamentlichen Verkündigung müssten auf ihren Bezug zur Existenz des Menschen hin interpretiert werden. Dies führte Ende der 1940er Jahre zu erheblichen Auseinandersetzungen in der evangelischen Kirche.
Bultmann war von 1921 bis 1951 Professor für das Neue Testament an der Universität Marburg, wo er 1976 gestorben ist. (M.K.)
"Der eigentliche Sinn des Mythos ist nicht der, ein objektives Weltbild zu geben; vielmehr spricht sich in ihm aus, wie sich der Mensch selbst in seiner Welt versteht; der Mythos will nicht kosmologisch, sondern anthropologisch - besser: existential interpretiert werden."
(Neues Testament und Mythologie, 1941, S. 22)