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Peter Hoeltzenbein: OLDEN-SPIEGELEIEN

Ausstellung 16.10.2003 - 29.11.2003

Vorwort von Ewald Gäßler

Bücher mit Fotos und literarischen Texten ob über Oldenburg oder andere Orte und Regionen sind keine Seltenheit. Sie drängen sich als Buchprojekt einem empfindsamen Beobachter der Welt, der sich für visuelle und literarische Interpretationen und Deutungen von Realität interessiert, geradezu auf. Die Kombination von Text und Bild erlaubt ein vielschichtiges Spiel mit visuellen Eindrücken, Lyrik und Prosa zur wechselseitigen Erhellung ebenso wie zu kontrastreicher Provokation. Wenn dann die Fotos auch noch Spiegelbilder und Spiegelungen zur Anschauung bringen und die Texte eine Vielzahl geistiger Bilder wiederspiegeln, so ergibt sich eine Gesamtschau mit janusköpfigem Doppelblick.
Bei solchen Gedanken und Überlegungen kommt der Bericht in den Sinn, den Johanna Schopenhauer 1828 von ihrem "Ausflug an den Niederrhein" gibt und in dem sie von dem schwindelerregenden Eindruck im Speisesaal des Dampfschiffes erzählt, dessen Flächen zwischen den Fenstern mit Spiegeln verkleidet waren, in denen die Reisenden die hinter ihnen vorbeiziehenden Landschaften sehen konnten.
"Der Rahmen der Fenster wie der Spiegel zerschnitten die Landschaft, von der wir immer nur eine kleines, abgerissenes Stück erblickten; wir sahen zu viel und zu wenig, die Aussichten aus dem Fenster und die Spiegelbilder flossen wunderlich ineinander, so dass wir ... kaum noch zu unterscheiden wussten, was Bild, was Wirklichkeit sei."
Blättert man in diesem Buch dann hat man ein vergleichbares Erlebnis. Der Betrachter fragt sich: beschreiben die Texte vergangene oder gegenwärtige Realität, die wir zwischen den Spiegelungen der Bilder erkennen, oder ist es gerade umgekehrt, dass die Texte nur Spiegelungen sind, zwischen den Bildern einer Realiät, der wir den Rücken zugewendet haben? Schaut man genauer hin, so ist es noch weit komplizierter und es vermischen sich Heiteres und Besinnliches, Historisches und Aktuelles, Nachdenkliches und Handgreifliches, Spiegelfechtereien und Realitäten in einem fortschreitenden Wechsel. Jemandem der Oldenburg, seine Bauten, Straßen und Stadträume nicht sehr gut kennt, wird die eine oder andere Verschiebung der Wahrnehmungsebenen, die eine oder andere Eulenspiegelei, die sich auch in den Texten verbirgt, erst beim zweiten Hinsehen oder Lesen erschließen. Dem Leser und Betrachter werden jedoch keine Zerrbilder vorgesetzt, sondern Scharfblicke in die vielschichtigen Ebenen der Wahrnehmung, des Bewusstseins und der Bewusstheit von signifikanten Bildwelten einer norddeutschen Stadt.

Prof. Dr. Ewald Gäßler ist
Direktor der Museen und Sammlungen
der Stadt Oldenburg.


Informationen:
Michaela Klinkow, M.A.,
Landesbibliothek Oldenburg, 
Tel. (0441) 505018-80,
E-Mail: klinkowat-Zeichenlb-oldenburg.de