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Programm der Oldenburgischen Bibliotheksgesellschaft 2020

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Mittwoch, den 4. November 2020, um 19.00 Uhr

Dr. Anne-M. Wallrath-Janssen (Oldenburg)
Heinrich Heine - ein Klassiker voller Widersprüche

Heinrich HeineZweifellos gilt Heinrich Heine (1797-1856) als Klassiker - im Ausland allerdings wohl immer noch mehr als in Deutschland. Denn was von seinem reichhaltigen Werk ist eigentlich heute - neben einigen Liebesgedichten, einigen politischen Gedichten - noch bekannt? Allemal aber sind sich diejenigen, die sich näher mit ihm beschäftigt haben, einig: Die Rezeptionsgeschichte gerade im Fall Heine ist von Missverständnissen, von Missdeutungen und Widersprüchen voll.
Die Heine-Rezeption lässt sich als "Erfolgsstory und Geschichte der Widersprüche zugleich" beschreiben (Edda Ziegler), zerrissen zwischen zwei Extremen: der Liebe des deutschen Bürgertums zum vermeintlich romantischen Poeten auf der einen und der ebenso leidenschaftlichen Ablehnung des politischen Publizisten, des jüdischen Intellektuellen und vermeintlichen Vaterlandsverräters auf der anderen Seite. In diesem Doppelcharakter der Rezeption spiegelt sich der Doppelcharakter seiner Texte. Heine selbst hat dies auf den Punkt gebracht, wenn er seine frühen Gedichte, auf die ja sein Ruhm zunächst gründete, als "maliziös-sentimental" bezeichnet. Die Kombination aus Sentimentalität und Komik, die als bösartig verstanden werden konn-te, war von seiner Seite durchaus provokativ gemeint - und so wirkte sie dann auch.
Der Vortrag wird die Entwicklung Heines, der als "Zeitschriftsteller" einen neuen Schriftstellertypus verkörperte, chronologisch in den Blick nehmen und dabei Leben und Werk vor dem Hintergrund der wechselvollen Zeitereignisse der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts spiegeln. Dabei sollen immer wieder auch Textauszüge - Gedichte wie Passagen aus seinen vielfältigen Prosatexten - als Illustration dienen: Heines Schreib- wie Denkweise, seine politischen Ansichten wie sein Selbstverständnis als Schriftsteller, dabei auch seine Selbststilisierung sollen anschaulich werden, sein rebellischer Geist wie sein unbändiger Selbstbehauptungswille von den Anfängen an bis in die Jahre des Siechtums in der "Matratzengruft".

Foto von Dr. Anne-M. Wallrath-Janssen
Dr. Anne-M. Wallrath-Janssen unterrichtete im Anschluss an ein Studium der Germanistik, Politikwissenschaften und Publizistik als Sprachlehrerin am Goethe-Institut in Finnland. Sie promovierte über die Geschichte des Hamburger Verlags H. Goverts (später Claassen) im Dritten Reich. Seit 1988 arbeitete sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin/ Lehrbeauftragte für besondere Aufgaben am Institut für Germanistik zunächst in der Literaturwissenschaft, in den vergangenen 20 Jahren in der Deutschdidaktik.

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Mittwoch, dem 30. September 2020, um 19.00 Uhr
im Vortragsraum der Landesbibliothek
(Pferdemarkt 15, 26121 Oldenburg)

Prof. Dr. Sabine Kyora (Oldenburg):
Alfred Döblin - (Zeit-)Diagnostik in "Berlin Alexanderplatz"

Buchdeckel von 'Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz'Alfred Döblin hat immer wieder darauf hingewiesen, dass seine Ausbildung als Arzt wie seine spätere berufliche Tätigkeit im Krankenhaus und in der eigenen Praxis seine Texte geprägt haben. So hat seine Aufforderung "Man lerne von der Psychiatrie" in seinem Berliner Programm von 1913 dann auch in der Döblin-Forschung die entsprechende Aufmerksamkeit erfahren. Denn Döblin fordert hier die Autoren seiner Zeit auf, von der psychologischen Motivation ihrer Texte abzusehen und sich stattdessen auf das kühle, klinische Notieren der Abläufe zu konzentrieren. Auch in seinen späteren Essays betont Döblin wiederholt, dass er in der ärztlichen Ausbildung besonders seine diagnostischen Fähigkeiten geschult habe. Er versteht den ärztlichen Blick so, dass er eine Diagnose der Krankheit ermögliche, um von dieser Diagnose ausgehend auf den Verlauf der Krankheit zu schließen.
Sabine Kyora sieht in diesem "diagnostischen Blick" und in dem frühen Hinweis auf die Psychiatrie eine fruchtbare Ansatzmöglichkeit, um Döblins Roman "Berlin Alexanderplatz" (1929) im Hinblick auf dessen Diagnoseformen zu untersuchen. Daher wird der Fokus des Vortrags auf dem Motiv der Diagnose liegen, und zwar sowohl bezogen auf die moderne Großstadt wie auf die Erzählerperspektive in "Berlin Alexanderplatz". Gerade im Hinblick auf den Erzähler ist zu fragen, inwiefern (zeit)diagnostische Ansätze in seinem Blick auf die sozialen Verhältnisse im Berlin der späten 1920er Jahre erkennbar sind. Da diese diagnostische Perspektive sowohl eine individuelle - also auf den Protagonisten Franz Biberkopf bezogene - wie auch eine kollektive - auf die Stadt und die gesellschaftlichen Zusammenhänge verweisende - Ebene haben könnte, werden beide Varianten zu analysieren sein.

Foto von Prof. Dr. Sabine KyoraSabine Kyora, geboren 1962, studierte die Fächer Literaturwissenschaft und Geschichte an den Universitäten Bielefeld und Hamburg. In ihrer Dissertation beschäftigte sie sich mit dem Thema "Psychoanalyse und Prosa im 20. Jahrhundert"; 1999 habilitierte sie sich mit der Schrift "Eine Poetik der Moderne" (Würzburg 2007). Seit Oktober 2002 ist sie Professorin für Deutsche Literatur der Neuzeit an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg; von 2016 bis 2019 war sie Vizepräsidentin für Lehre, Studium und Gleichstellung. Zu ihren zahlreichen Publikationen gehören Arbeiten zur Literatur der klassischen Moderne und der Gegenwartsliteratur, zu Arno Schmidt, Friederike Mayröcker und Paul Wühr, zu methodischen Fragen der Literaturwissenschaft und zu Subjekt- und Autorschaftsentwürfen.

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Mittwoch, dem 9. September 2020, um 19.00 Uhr
im Vortragsraum der Landesbibliothek
(Pferdemarkt 15, 26121 Oldenburg)

Dr. Ingrid Laurien (Göttingen):
Ödön von Horváth – Heimatdichter ohne Heimat

Foto Ödön von Horváth Ödön von Horváth (1901-1938) ist einer der meistgespielten deutschsprachigen Dramatiker des 20. Jahrhunderts und gehört - als Erneuerer des sogenannten Volksstücks - mit seinen Geschichten aus dem Wienerwald (1931) oder Kasimir und Karoline (1932) längst zum Literaturkanon der Oberstufe. Bekannt vor allem aber ist er als Autor des Romans Jugend ohne Gott (1937), der allgemein als eine Parabel auf die moralische Zerstörung gelesen wird, die der Nationalsozialismus in jungen Menschen anrichtete. Die eindringliche Warnung vor der moralischen Leere, die in einer Gesellschaft entsteht, deren ethischer Kompass verloren gegangen ist, macht diesen Text immer wieder aktuell, wie auch die jüngste filmische Adaption des Schweizer Regisseurs Alain Gsponer (2017) zeigt, der die Handlung in das Survival-Camp einer Elite-Universität verlegt.

In ihrem Vortrag wird Frau Dr. Laurien vor dem Hintergrund der 20er und 30er Jahre Leben wie Werk dieses Kosmopoliten anschaulich werden lassen, der als Sohn eines österreichisch-ungarischen Diplomaten in Belgrad, Budapest, München, Pressburg und Wien aufwuchs und mit dem Zusammenbruch des österreichischen Kaiserreichs heimatlos wurde: "Heimat", schrieb er 1929, "- kenn ich nicht! -". Als Wahlbayer, der viele Jahre in Murnau am Staffelsee verbrachte, hat er in den dortigen Biergärten, Wirtschaften und Hotels die Schauplätze und Charaktere gefunden, die seine Volksstücke prägen. Zum Objekt seiner Kritik wurde dabei der Ewige Spießer (1931), in dem er den Typus des Kleinbürgers demaskierte, der in allem nur seinen eigenen materiellen Vorteil sucht und doch etwas Höheres darstellen möchte. Bloße Satire aber sind seine Stücke nicht; das Lachen bleibt einem oft im Halse stecken - und die Empathie des Moralisten Horváth für seine Figuren in ihren prekären Lebensverhältnissen blitzt immer wieder auf.
Der Vortrag wird auch die Widersprüche im Leben des Autors thematisieren - zwischen Anfeindungen von nationalsozialistischer Seite schon vor 1933, Bücherverbrennung und kurzzeitiger, halbherziger Anpassung. Jugend ohne Gott erschien dann 1937 im Amsterdamer Exilverlag Allert de Lange und wurde ein internationaler Erfolg.

Foto Ingrid LaurienDer Autor starb 1938 in Paris – bei Gewitter von einem Ast erschlagen.
Wiederentdeckt wurde Horváth erst in den 60er Jahren. Die bekannteste Verfilmung von Jugend ohne Gott entstand 1991 als letzter Film der DEFA in der ehemaligen DDR.

Der Abend wird es uns ermöglichen, diesen faszinierenden Autor in zahlreichen Facetten wieder neu zu entdecken. Eine kleine Vitrinenausstellung der Landesbibliothek wird das Thema wie gewohnt flankieren.

Dr. Ingrid Laurien leitete im Anschluss an ein Studium der Germanistik, Geschichte und Politikwissenschaften und Promotion in Göttingen ein Forschungsprojekt zur Politischen Kultur der Nachkriegszeit, arbeitete in der Redaktion der edition text+kritik und als Referentin im Kulturdezernat Kassel. Nach langjährigen Lehrtätigkeiten an Universitäten in Nairobi, Johannesburg und Stellenbosch und Lehraufträgen an den Universitäten Oldenburg, Potsdam und Göttingen ist sie heute freiberuflich im kulturellen Fortbildungsbereich tätig.

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Mittwoch, dem 29. Januar 2020, um 19.00 Uhr
im Vortragsraum der Landesbibliothek
(Pferdemarkt 15, 26121 Oldenburg)

JProf. Dr. Thomas Boyken
Das Kind im Garten. Zu Storms Lyrik

Porträt Theodor StormMythologisch verbürgt und literarisch verarbeitet sind Gärten schon seit der griechischen Antike. So gibt sich etwa in Homers Odyssee der griechische Kriegsheld Odysseus nach seiner mehrjährigen Irrfahrt seinem Vater Laertes in dessen Garten zu erkennen. Um dem zweifelnden Laertes zu beweisen, dass er wirklich sein Sohn ist, zählt Odysseus seinem Vater alle Bäume im Garten auf, die dieser ihm einstmals geschenkt hat.
Auch in Storms Novellen werden immer wieder Gärten thematisiert. Gartenarbeit spielt hier keine Rolle. Vielmehr handelt es sich zumeist um Erinnerungs- und Familienräume, die - ähnlich wie in Homers Odyssee - der Wiedererkennung dienen. Oftmals sind es auch abgeschlossene Räume: Der hortus conclusus wird beispielsweise in Viola tricolor zum Dreh- und Angelpunkt der Liebesgeschichte.
Im Vortrag wird vor allem die Lyrik Storms in den Fokus gerückt. Wir dürfen uns also auf die Begegnung mit bekannten und vielleicht auch weniger bekannten Gedichten freuen, die auch vorgetragen werden. Wenn man sich das Gartenmotiv in Storms Lyrik genauer anschaut, fällt auf, dass der Garten häufig in Kontrast zum Wald gesetzt wird. Exemplarisch lässt sich über den Neologismus "Garteneinsamkeit" in Storms Gedicht Garten-Spuk (1858) seine Lyrik als 'Lyrik des Übergangs' darstellen. Der Husumer Dichter partizipiert in seinen Gedichten nämlich durchaus an der romantischen Poetik. Er transformiert sie jedoch auf spezifische Weise, und diese lyrische Transformation lässt sich, so die Grundthese des Vortrags, nachdrücklich am Gartenmotiv ablesen. Storm koppelt dieses Motiv darüber hinaus mit Figuren der Kindheit, die ihrerseits auf ein vergangenes 'Goldenes Zeitalter' verweisen und damit einen Bogen zum Garten als Erinnerungsraum und auch zum (verlorenen) biblischen 'Garten Eden' schlagen. Anschaulich werden die Thesen nicht nur durch den Vortrag einiger Gedichte Storms zum Thema, sondern natürlich auch durch die nun schon traditionell gewordene kleine Vitrinenausstellung der Landesbibliothek, die den Vortrag flankiert.

Foto von Dr. Thomas BoykenDr. Thomas Boyken (*1980) studierte Germanistik und Sportwissenschaften an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Zwischen 2009 und 2014 lehrte er Literaturwissenschaft am hiesigen Institut für Germanistik und promovierte über Männlichkeitsdarstellungen im dramatischen Werk Schillers. Nachdem er bis 2019 eine Juniordozentur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft am Deutschen Seminar der Eberhard Karls Universität Tübingen innehatte, bekleidet er seit Beginn des Wintersemesters 2010 die neu geschaffene Juniorprofessur für Kinder- und Jugendliteratur (mit historischem Schwerpunkt) am Institut für Germanistik der Uni Oldenburg.
Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in der Kinder- und Jugendliteratur und der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts, der Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur, den gender studies und der Dramentheorie. Aktuell arbeitet er an einem größeren Forschungsprojekt über die Medialität des narrativen Kinder- und Jugendbuchs.


Alle Veranstaltungen finden in der Regel jeweils um 19.00 Uhr
in der Landesbibliothek Oldenburg, Pferdemarkt 15, statt.

Der Eintritt ist frei.


Geschäftsstelle der
Oldenburgischen Bibliotheksgesellschaft
c/o Landesbibliothek Oldenburg
Postfach 3480
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