In einer Zeit, in der junge Menschen durch die Erlebnisse des 1. Weltkriegs und die Herausforderungen einer noch nicht gelebten und erlebten Demokratie der Weimarer Republik auf der Suche nach Orientierung waren, widmete sich Bertha Ramsauer mit ihren intellektuellen und organisatorischen Fähigkeiten der jungen Generation.
Die sich in vielen europäischen Ländern ausbreitende Volkshochschulbewegung mit der Betonung von Persönlichkeitsbildung und Gemeinschaftsgefühl war für sie der beste Kontext, jungen Männern und Frauen den Weg zu einer selbstbestimmten Persönlichkeit zu weisen.
Im Jahre 1920 folgte sie der Bitte, auf Wangerooge ein Volkshochschulheim aufzubauen und zu leiten. Von da an stellte sie ihr ganzes Leben in den Dienst dieser Bewegung.
Als das von ihr gegründete Volkshochschulheim in Husbäke 1935 in die Hände des Deutschen Frauenwerks, Abteilung Mütterdienst (Berlin) überging und zur "Heimmütter- und Reichsbräuteschule" wurde, war es ihr Glaube an die Selbstbestimmung des Menschen, der sie bewog, allen kritischen Stimmen vieler Freunde zum Trotz, die Leitung dieser Schule zu übernehmen. Wie schwer es war, diese Unabhängigkeit zu bewahren, sollte ihr nur zu bald bewusst werden.
Während der NS-Zeit beschritt sie einen gefährlichen Grat zwischen Anpassung und Eigenständigkeit. Bedeutsam ist ihr Eingeständnis einer Gesamtschuld des deutschen Volkes an den furchtbaren Verbrechen der NS-Zeit, das sie, tief verwurzelt im protestantischen Glauben, 1945 privat und öffentlich äußerte. (D.F.)
"Unser Volkshochschulheim wird in den reinen Dienst erzieherischer Aufgaben gestellt. Der werdende Mensch ist Ausgangspunkt und Endzweck aller Arbeit. Unser Heim ist nicht hervorgegangen aus politischer Leidenschaft oder aus dem Willen zu bekehren und hinzubiegen zu einer religiösen oder irgendeiner bestimmten lebensreformerischen Richtung. Es steht nicht im Dienste einer Partei, nicht im Dienste des Kampfes für oder gegen die Kirche [...]
Hier bei uns treffen sich - nicht in flüchtiger Berührung, sondern im Zusammenleben und -arbeiten - alle Kreise unseres Volkes, der Akademiker und der Proletarier; hier begegnen sich alle Ergebnisse unserer verschiedenen Schulgattungen, Zöglinge der Volks-, der mittleren, der höheren und der Fachschulen. Hier ist eine Fundgrube für die pädagogische Wissenschaft [...]
Wenn ich vor meinem Eintritt in die Volkshochschularbeit glaubte auf dem Gebiet des Schulwesens allerhand Erfahrungen zu haben [...] so sind mir die Augen über die Vorzüge und Mängel unserer Schulen doch erst aufgegangen, als ich in der Volkshochschule die verschieden Vorbereiteten vor mir hatte und als ich hineingetrieben wurde aus der Lebensferne des Lehrenden in das Gebiet des unerbittlichen Wirtschaftskampfes [...]
Möchte es der Prüfstein einer jeden Schule sein, ob Fragende aus ihr hervorgehen."
(Bertha Ramsauer in ihrer Ansprache gehalten am Tag der Hausweihe des Volkshochschulheims Husbäke-Edewecht, Mai 1926)