Der Arzt, Philosoph und politische Denker Karl Jaspers wurde 1883 in Oldenburg als Kind einer Bankiersfamilie geboren. Nach dem Studium der Medizin war er ab 1909 Assistent an der Psychiatrischen Klinik in Heidelberg. Max Weber, den er im selben Jahr kennen gelernt hatte, wurde zum wissenschaftlichen Vorbild für ihn. Mit dessen Unterstützung legte Jaspers 1913 sein Lehrbuch der Allgemeinen Psychopathologie als Habilitationsschrift vor. Das Buch machte ihn über Nacht berühmt und gilt heute noch als Standardwerk. Es begründete die Psychopathologie als Fachwissenschaft.
1916 erhielt Jaspers den Lehrstuhl für Psychologie in Heidelberg, 1922 wechselte er zur Philosophie. Zu dieser Zeit begann seine Freundschaft mit Martin Heidegger, die bis zu dessen Eintritt in die NSDAP andauerte. Jaspers wollte keine eigene Philosophieschule errichten. Dennoch hatte er einige prominente Schüler, die sich durch Unabhängigkeit und Originalität auszeichneten, wie vor allem Hannah Arendt. Jaspers gilt als herausragender Vertreter der Existenzphilosophie.
Für die Nationalsozialisten war Jaspers, der mit einer Jüdin verheiratet war, "nicht-arisch versippt", weshalb er 1937 zwangspensioniert wurde. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs setzte Jaspers seine Lehrtätigkeit an der Heidelberger Universität fort. Er nutzte die wiedergewonnene Freiheit, um seine Landsleute zur Gewissensprüfung und "geistigen Umkehr" aufzufordern. Doch aus Enttäuschung über die politische Entwicklung verließ er Deutschland und nahm 1948 einen Ruf an die Universität Basel an.
Hier starb er 1969.
Neben zahlreichen Auszeichnungen erhielt Karl Jaspers 1958 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Er ist Ehrenbürger der Stadt Oldenburg. Seit 1990 veranstaltet die Universität in Oldenburg die jährlichen Karl-Jaspers-Vorlesungen zu Fragen der Zeit. (M.K.)
"Wir dürfen kaum sagen, daß wir weiter seien als Plato. Nur im Material der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die er benutzt, sind wir weiter. Im Philosophieren selbst sind wir noch kaum wieder bei ihm angelangt."
(Einführung)
"Wahrheit, deren Richtigkeit ich beweisen kann, besteht ohne mich selber. [...] Wahrheit, aus der ich lebe, ist nur dadurch, dass ich mit ihr identisch werde."
(Glaube, 11)
"Aus jeder Weise des Umgreifenden, das wir sind, nicht nur aus dem Bewusstsein überhaupt, dem die zwingende Einsicht zugehört, sondern aus Dasein, Geist und Existenz erwächst ein eigentümlicher Wahrheitssinn."
(Existenzphilosophie, 29)
"Die Vielfachheit des Philosophierens, die Widersprüche und die sich gegenseitig ausschließenden Wahrheitsansprüche können nicht verhindern, dass im Grunde Eines wirkt, das niemand besitzt und um das jederzeit alle ernsten Bemühungen kreisen: die ewige eine Philosophie, die philosophia perennis."
(Einführung, 17)