„Fegt alle hinweg…“
Ausstellung
„Fegt alle hinweg, die die Zeichen der Zeit nicht verstehen wollen!“
(Aufruf des nationalsozialistischen deutschen Ärztebundes, März 1933)
Schon die „Verordnung über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen“ vom 22. April 1933 entzog den als jüdisch definierten Ärztinnen und Ärzten in Deutschland die kassenärztliche Zulassung und damit häufig die wirtschaftliche Existenz. Es folgten erzwungene Praxisschließungen und die Entfernung aus den öffentlichen Diensten. Mit der „Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz “ vom 25. Juli 1938 – wenige Monate vor den Novemberpogromen – wurde schließlich die Approbation entzogen: „§ 1. Bestallungen (Approbationen) jüdischer Ärzte erlöschen am 30. September 1938“. 1939 meldete eine Zeitung triumphierend: „Die gesamte Gesundheitspflege von Juden gereinigt!“
Etwa die Hälfte der 8.000 deutschen jüdischen Ärztinnen und Ärzte emigrierte, rund ein Viertel wurde ermordet. Im Konzentrationslager Theresienstadt befanden sich allein über 1.000 jüdische Ärzte, von denen nur wenige überlebt haben. Die Ausstellung „Fegt alle hinweg …“ zum Approbationsentzug jüdischer Ärztinnen und Ärzte 1938 wurde 2008 anlässlich des 70. Jahrestages von Ursula Ebell M.A. und Dr. Hansjörg Ebell für München konzipiert. Sie wurde in den Folgejahren mehrfach erweitert und an 50 Orten gezeigt. Sie zeichnet den Weg in den Abgrund anhand persönlicher Berichte, von Fotos, Briefen und Dokumenten nach. Geschildert werden persönliche Schicksale und die Lebensumstände der Betroffenen.
Verfolgung jüdischer Ärztinnen und Ärzte im Oldenburger Land in der NS-Zeit
Auf sechs Roll-Ups werden ergänzend zur Wanderausstellung fünf Ärzte-Biographien aus dem Oldenburger Land vorgestellt: Sehr verschiedene Persönlichkeiten, Frauen und Männer, engagiert, ambitioniert und kompetent – integriert in die lokale Gesellschaft. Einige erkannten die Zeichen der Zeit sehr früh. Ihnen gelang, meist unter großen Anstrengungen und Entbehrungen, das Land zu verlassen und sich eine neue Existenz außerhalb aufzubauen. Andere gerieten in die Mühlen der Verfolgung: Berufsverbot, Enteignung, Entrechtung, Gefängnis, KZ, Flucht, manchmal unter Zurücklassung nächster Angehöriger. Und doch brach die Verbundenheit mit der Region nicht immer ganz ab. Manchmal wurden auch Freundschaften durch die dunklen Zeiten hindurch bewahrt.
Die „nichtjüdischen“ Ärzte waren häufig eingebunden in das NS-System. Der Chefarzt der Chirurgie im Evangelischen Krankenhaus zeigte sich z. B. gern in SS-Uniform. Er war u.a. zuständig für „Rassenhygiene“ und Zwangssterilisationen. 1938 schrieben zwei Oldenburger Ärzte an den Oberbürgermeister und beklagten sich über eine jüdische Schule Ecke Staugraben/Osterstraße.
Programm
8. Mai | 17 Uhr | Landesbibliothek Oldenburg
Eröffnung der Ausstellung mit Grußwort von Dr. Martina Wenker (Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen) und Einführung von Ursula Ebell M.A. und Dr. Hansjörg Ebell.
22. Mai | 19 Uhr | Nordwestdeutsches Museum für IndustrieKultur Delmenhorst
Vortrag von Fredo Behrens: „Die Delmenhorster jüdische Familie Rothschild – Verfolgung, Emigration, KZ und Deportation. Und doch blieben enge Kontakte.“
5. Juni | 19 Uhr | Landesbibliothek Oldenburg
Dr. Martin Doerry (Hamburg) liest aus seinem Buch „Mein verwundetes Herz“ über das Schicksal seiner Großmutter, der jüdischen Ärztin Lilli Jahn, und ihrer Kinder.
16. Juni | 19.30 Uhr | Cine K, Bahnhofstraße 11
Film und Einführung „Professor Mamlock“ (Regie Konrad Wolf, DEFA, 1961).
18. Juni | 19 Uhr | Landesbibliothek Oldenburg
Vortrag von Dr. Benjamin Kuntz (Medizinhistoriker, Robert-Koch-Institut, Berlin): „Entrechtet und verfolgt: Jüdische Ärztinnen und Ärzte im Nationalsozialismus.“ Beispielhaft dargestellt wird die RKI-Forscherin und Auschwitzüberlebende Lucie Adelsberger (1895-1971).
19. Juni | 15.30 Uhr | Universität Oldenburg
Vortrag von Dr. Benjamin Kuntz (Robert Koch-Institut, Berlin): „Die Geschichte des Robert Koch-Instituts: Jüdische Wissenschaftler*innen im Fokus“.
Für die Wanderausstellung danken wir herzlich den Initiatoren und Kuratoren Ursula Ebell M.A. und Dr. Hansjörg Ebell.
Für die Mitarbeit und Unterstützung in Oldenburg sei herzlich gedankt:
- Fredo Behrens (Erinnerungsgang Oldenburg)
- Dr. Gabriele Hoeltzenbein (Oldenburg)
- Dr. Carsten Jöhnk (Nordwestdeutsches Museum für IndustrieKultur Delmenhorst)
- Prof. Dr. Marcus Kenzler (Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg)
- Volker Landig (GröschlerHaus Jever)
- Dr. Mark Lowenberg (Amsterdam)
- Ruth Racziniewski (Delmenhorst)
- Sabine Stührholdt (Stadtmuseum Oldenburg)
- Dr. Ulrike Wendt und Dr. Volker Wendt (Oldenburg)
- Katholische Kirchengemeinde St. Willehad, Oldenburg
- Ärztekammer Niedersachsen