Mittelalterliche Handschriften
Die mittelalterlichen Handschriften der Landesbibliothek Oldenburg sind im deutschen Handschriftenportal verzeichnet.
Der Handschriftenbestand der Landesbibliothek Oldenburg umfasst rund 1.000 Stücke und weist einen klaren regionalen Schwerpunkt auf. Das Gros sind neuzeitliche Handschriften, entstanden zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert, allerdings besitzt die Landesbibliothek mit rund 70 mittelalterlichen Codices den größten derartigen Bestand in Nordwestniedersachsen.
Der Handschriftenbestand in der Landesbibliothek Oldenburg geht nicht auf außergewöhnliche Schenkungen oder Ankäufe zurück - seit ihrer Gründung 1792 wurde zu keinem Zeitpunkt gezielt der Aufbau einer Handschriftenabteilung betrieben. Der Hannoveraner Beamte Georg Friedrich Brandes, dessen Privatbibliothek den Grundstock der heutigen Landesbibliothek bildet, berücksichtigte bei seinen Erwerbungen zwar auch handschriftliches Material, legte hierauf jedoch keinen besonderen Schwerpunkt. Seine Handschriftenkäufe erfolgten offenbar unter inhaltlichen Gesichtspunkten, mittelalterliche Codices sucht man in Brandes‘ Sammlung vergeblich.
Die bis zur Franzosenzeit (1810-1813) in den Jahresabschlüssen detailliert geführten Erwerbungslisten belegen, dass Ludwig Wilhelm Christian von Halem, der erste Oldenburger Bibliothekar, das Herzogtum und den Nordwesten allgemein betreffende Handschriften immer dann erwarb, wenn sie auf den ohnehin besuchten Auktionen angeboten wurden. Größere Erwerbungskomplexe bilden etwa neun Handschriften zur Geschichte Jevers aus dem Besitz des Predigers Johann Gottlieb Siegmund Braunsdorf (1752-1825). Die am stärksten vertretene Einzelprovenienz ist die Familie Lentz. 25 Titel in 37 Bänden gehen auf ein Geschenk des Eutiner Obergerichtsdirektors Werner August Friedrich Lentz (1817-1893) an die damalige Großherzogliche öffentliche Bibliothek aus dem Jahr 1882 zurück. 17 Stücke aus Handschriftenbestand tragen Besitzstempel der 1919 aufgelösten Großherzoglichen Privatbibliothek. Insgesamt hat die Landesbibliothek aus der Sammlung der Großherzöge wohl sogar 65 Nummern zur Geschichte und Kulturgeschichte des Landes vom 16. bis 19. Jahrhundert gekauft.
Zunächst waren die mittelalterlichen und neuzeitlichen Handschriften der Landesbibliothek nicht vom übrigen Bestand getrennt, sondern in die systematische Aufstellung eingearbeitet. Erst unter der Leitung Heinrich August Lübbens begann man in den 1880er Jahren, Handschriften und Inkunabeln in einem eigenen Katalogband ("Cimelien") zu verzeichnen und von den übrigen Beständen abzusondern. Dies betraf jedoch in einem ersten Schritt vor allem das nicht-oldenburgische Material bzw. die mittelalterlichen Codices. Die neuzeitlichen Oldenburgensien unter der Handschriften der Landesbibliothek verblieben bis weit in das 20. Jahrhundert an ihrem ursprünglichen Standort in der systematischen Aufstellung. Neuerwerbungen mit Oldenburgbezug wurden hiervon abweichend sofort unter den Signaturen Cim I 86 bis 88 - mit angehängten lateinischen und griechischen Buchstaben - verzeichnet. Diese Praxis fand ihr Ende in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die Signaturgruppe Cim I 88 bei drei angehängten griechischen Buchstaben angeleangt und damit kaum noch zu überblicken war. Alle Handschriften werden nun unter Cim I akzessorisch inventarisiert.
Der erste Versuch einer Verzeichnung der Handschriften der Landesbibliothek geht auf den späteren Oberbibliothekar Theodor Merzdorf zurück. Mitte des 19. Jahrhunderts begann er, auf losen Blättern ausführliche Aufnahmen einiger Handschriften anzufertigen (überliefert unter der heutigen Signatur Cim I 85). Doch blieb dies ein isolierter, von Vollständigkeit weit entfernter Versuch. Es folgte in den 1880er Jahren die Einrichtung des handschriftlichen Cimelieninventars. Dieses wird bis heute für Neuzugänge fortgeführt, beschränkt sich aber auf eine Verzeichnung der Stücke in knappster Form (Verfasser, Titel, Ort, Jahresangabe, Format).
Die äußerst unbefriedigende Katalogsituation wurde für die mittelalterlichen Handschriften der Landesbibliothek Anfang der 1990er Jahre durch ihre Aufnahme in den dritten Band des Kurzkatalogs „Mittelalterliche Handschriften in Niedersachsen" verbessert. Die Ergebnisse der von Irene Stahl durchgeführten wissenschaftlichen Erschließung bilden zugleich die Grundlage der Einträge im jüngst veröffentlichten deutschen Handschriftenportal.
Erste Vorarbeiten zu einem gedruckten Katalog der regionalen Handschriften begannen 1974 mit der ehrenamtlichen Arbeit von Martha Ziethen, Johann Onnen und Hans Rüppell, die alle bis dato identifizierten Stücke erstmalig erfassten. Eine wissenschaftliche Revision dieser Aufnahmen nach den Richtlinien der DFG und ihre Anreicherung mit biographischen Daten, Provenienzangaben, Informationen zu Verfassern, Abschreibern und Drucken geht auf den ehemaligen stellvertretenden Leiter der Landesbibliothek, Dr. Klaus-Peter Müller zurück. In einem durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur geförderten Projekt wurden zwischen 2017 und 2019 diese Aufnahmen in das elektronische Erschließungsformat TEI-P5 überführt und um Aufnahmen für eine dreistelligen Zahl frühneuzeitlicher Handschriften ohne Oldenburgbezug ergänzt. Seit 2020 steht dieser Katalogteil in elektronischer Form zur Verfügung und wird aktuell für den Druck vorbereitet.