Regionalbuch des Monats Mai 2024
Ausgabe in Folio
Dichtung findet im Regelfalle zwischen zwei Buchdeckeln statt und spielt sich nur selten im dreidimensionalen Raum ab. Im Mausoleum der Oldenburger Herrscherfamilie auf dem Gertrudenfriedhof ist es anders: An dessen Wänden befinden sich Inschriften in Versform. Sie stammen aus der Hand des Dichters Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750-1819). Sowohl dieser als auch der ungemein berühmtere Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803) waren mit dem Oldenburger Herzog Peter Friedrich Ludwig (1755-1829), dem Auftraggeber für den Bau des Oldenburger Mausoleums, bekannt. Beide Dichter reichten beim Herzog Vorschläge für die Wandbeschriftung ein.
Der Herzog entschied sich jedoch für die Textvorschläge Stolbergs und somit gegen Klopstock. Damit wurde die Chance vertan, das Oldenburger Mausoleum mit Versen eines der bis heute berühmtesten deutschen Dichter zu schmücken. Ironie der Geschichte: Wenngleich Klopstock als einer der ersten deutschsprachigen Dichter antike Metren benutzte, verzichtete er bei seinen Texten für das Mausoleum auf diesen strengen Versbau. Die Inschriften seines Konkurrenten Stolberg sind indes weitgehend in solchen strengen Formen gehalten.
Im Altbestand der Landesbibliothek befinden sich mehrere Werkausgaben und Einzelpublikationen Klopstocks. Anlässlich von Klopstocks 300. Geburtstag ist eine prachtvoll in Leder eingebundene Folio-Ausgabe seiner Werke das Regionalbuch des Monats Mai 2024. Im Lesesaal präsentiert wird der erste Band seiner Odensammlung, die neben seinem Hauptwerk „Der Messias“ als eine seiner wichtigsten Publikationen gilt.
Ungeachtet der Ablehnung von Klopstocks Versen für das Mausoleum stand der Dichter in Oldenburg hoch im Kurs. Noch heute sichtbares Zeichen der Klopstock-Verehrung in Oldenburg ist die von Landolin Ohmacht gegen Ende des 18. Jahrhunderts geschaffene Klopstock-Büste, die heute im Foyer der Landesbibliothek im zweiten Stock neben dem Fahrstuhl ausgestellt wird.
Weiterführende Literatur (Auswahl):
- Deuter, Jörg: Neu entdeckte Verse und Briefe von Friedrich Gottlieb Klopstock über das herzogliche Mausoleum in Oldenburg - eine Marginalie zur Friedhofs-Kultur um 1790 und zum Klopstock-Kult am Oldenburger Hof, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 25 (1986), S. 143-164.
- Deuter, Jörg: Das herzogliche Mausoleum auf dem Oldenburger Gertrudenfriedhof (1786-1790) und seine Baugeschichte, in: Gäßler, Ewald (Hrsg.): Klassizismus. Baukunst in Oldenburg 1785-1860, Oldenburg 1991, S. 75-102.
- Hennings, Ralph: Der Gertrudenkirchhof in Oldenburg (Oldenburger Studien, Bd. 98), Oldenburg 2023.
- Müller, Walter: Inschriften für das Mausoleum. Vorschläge des berühmten Friedrich Gottlieb Klopstock, in: Nordwest-Heimat 17.11.2018, S. 1-3.